"Das Gaswerk"
 
Schon im Februar 1883 erklärte sich die Stadtverordnetenversammlung grundsätzlich mit der Errichtung einer Gas Anstalt einverstanden, vertagte sie aber im Juni desselben Jahres ebenso wie die Anlage einer elektrischen Beleuchtung zunächst einmal um ein Jahr. Die Erbauung einer Gasanstalt war der Stadt 1897 dann aber so wichtig, daß sie sich eine Kreditaufnahme in der gewaltigen Größenordnung von 120.000 Mark genehmigen ließ. Wie gigantisch diese Investition war, wird augenblicklich klar, wenn man bedenkt, daß das städtische Haushaltsvolumen von 1897 44.000 Mark betrug. Alles erfolgte erst nach ausführlicher Beratung im Stadtverordnetenkollegium, das sich den von Bürgermeister Lappe angekündigten Vorteilen für die Stadt nicht verschließen wollte. Am 10.10.1896 beschloß es einstimmig die Erbauung der Gasanstalt, des Wohngebäudes für den Gasmeister und den Ankauf eines Baugrundstückes. Das Gaswerk wurde für eine Gaserzeugung von jährlich 200.000 Kubikmeter, ausbaubar auf 400.000 auf dem Grundstück Leuther Straße 25 errichtet. In qualitätvoller wilhelminischer Industriearchitektur erstand der 1896 von dem Kölner Zivilingenieur E. Windeck entworfene und am 23.11.1897 inbetriebgenommene Bau und kündete dem Ankommenden sichtbar vom Fortschritt der Stadt. Im Februar 1897 war die Gasanstalt für den Betrag von 79.000 Mark bei der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau Aktiengesellschaft zu Berlin in Auftrag gegeben worden. Zu den 120.000 Mark Kredit wurden 1898 weitere 7000 Mark aufgenommen. Am 12.3.1897 wurde das Regulatif der Gasanstalt zu Kaldenkirchen, betreffend die Überlassung des Gases zum Privatgebrauch erlassen; schon ein Jahr später gab es 125 Abnehmer. Und im städtischen Verwaltungsbericht für 1897/98 kann man die Begeisterung des Bürgermeisters über dieses bisher größte Projekt seiner Amtszeit deutlich spüren: "Das schöne Licht hat vielen unserer Mitbürger Veranlassung gegeben, ihre Gebäude an das Hauptrohrnetz anzuschließen. Bis jetzt sind 141 Anschlüsse angemeldet. Da auch auf dem hiesigen Bahnhofe Gasbeleuchtung eingeführt wurde, so ist das Unternehmen vollständig gesichert. Die Zahl der Straßenlaternen wurde gemäß einem Beschlusse der Stadtverordneten=Versammlung von 27 auf 42 erhöht und für sämtliche Laternen ebenfalls Gasbeleuchtung (Gasglühlicht) eingeführt. Hierdurch wurde die Beleuchtung auf den sämtlichem Straßen der Stadt wesentlich besser und schöner, sowie auch dem vorhandenen Bedürfnis entsprechend. Die Kosten für Laternen und Kandelaber stellen sich auf etwa 2100M". Im Jahre 1907 wurde die Gemeinde Leuth über eine Ferngasleitung an das städtische Gaswerk angeschlossen. Der entsprechende Beschluß war übrigens gleichzeitig mit dem Beschluß, zum nicht mehr bedarfsgerechten Gasbehälter von 600 Kubikmeter einen zweiten von 1000 zu bauen, gefaßt worden. Bis Ende 1926 waren 722 Konsumenten angeschlossen. Nach Umstellung der öffentlichen Straßenbeleuchtung von Gas auf Elektrizität fiel der Gasverbrauch in jenem Jahr allerdings deutlich. Ende 1932 hatte das Gaswerk 810 Abnehmer. Die Gaserzeugung betrug 214.185 Kubikmeter und der Kohlenverbrauch 789 Tonnen. Die große Zeit des Gaswerkes war schon jetzt vorüber. Es überlebte zwar den Krieg, aber schon 1952 wurde erstmals mit der Ruhrgas AG Essen über mögliche Ferngaslieferungen verhandelt. "Doch scheiterten diese Bemühungen zunächst daran, daß die holländischen Behörden keinen Anschluß an die Ferngasleitung Tegelen gewährten und ein Anschluß an die bis Süchteln verlegte deutsche Ferngasleitung zu teuer war. Deshalb beschloß die Werkskommission noch einmal Investitionen. Neue Verhandlungen führten 1959 dann doch zur Unterzeichnung eines Liefervertrages mit der Ruhrgas AG. Im September 1961 wurden die Gaserzeugungsanlagen stillgelegt und der Ferngasbezug aufgenommen. Eine neue Phase in der Versorgung Kaldenkirchens mit Gas hatte begonnen. Es war nicht die letzte - 1967 begann die Umstellung der Versorgung auf Erdgas".